Was ich alles lassen mag. | Eva Karel | Brutstätte für Yoga, Text & Bild

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Was ich alles lassen mag.

01. Juni 2023
Was ich alles lassen mag.

Der langhaxerte Klee, die windschiefen Stauden und zerzausten Graserl, sie streicheln meine Seele wie nur was, wenn ich in der Früh mit dem Hund rausmarschier. Hinten rüber, über die S-Bahn-Brücke, dann durch den Nöstlinger-Park, der Hund bringt mir dreizehn Stück Bockerl zum Kicken, meine Augen tränen vor lauter Pollenfiasko – hatte ich früher nicht. Dann weiter ins Atelier. Nur noch ein paar Wochen, dann packe ich meine Sachen. Statt 10-jähriges Atelierjubiläum zu feiern mag ich meine Zelte abbrechen. Einfacher, kleiner mag ich’s haben, nimmer in der Auslage im Erdgeschoß sitzen. Und was für ein Segen, dass ich ausgerechnet neben der Carmen meine nächste Mal- und Schreibhöhle beziehen darf.

Es sticht trotzdem ein bissl, nona. Scheiß Pollen.

Glatt hätt ich noch ein Nebelkabinett installieren wollen – eine Matratze hätt ich reingelegt, damit man sich bei den Schreibgruppen im Atelier im Falle von träger Muse in besagter Nebelsuppe aufbahren, amüsieren und ob der Absurdität aufladen möge, bevor man wieder schreibend zur Tat schreite. Kurse und Veranstaltungen und vermieten und selber malen und was nicht noch alles wäre am Programm gestanden. Und dann ist mir schleichend immer bewusster geworden: Es ist so schön, aber ich mag einfach nimmer. Was ich einmal mit vor Begeisterung glühenden Ohrwascheln getan hab, ist zur Belastung geworden. Ich wünsch mir weniger Möglichkeiten, her mit der Vereinfachung. Bis auf eine hab ich alle Lehrveranstaltungen an der Uni abgegeben, ich gebe im Atelier Brutstätte die Zügel aus der Hand und übersiedle in dieses kleine, sonnige Atelier, das wie ein kleines Nest unterm Dach fünf Gehminuten von mir daheim liegt. Ich mag rasten und meine Lorbeeren genießen, ausgiebig die Kopferl meiner Kinder kraulen, an meinem dritten Buch weiterschreiben, den Kater aus dem Hochbeet zupfen und die Salathäuptln gießen. Und dann geh ich ab Herbst wieder selber studieren.

Daheim türmen sich Bücher neben der Couch, am Badewannenrand, auf der Waschmaschine, neben meinem Bett und auf den Fensterbrettln. Darin hab ich jetzt wochenlang mein Unwesen getrieben, gierig alles in mich aufgesogen für mein neues Buch und jetzt fühl ich mich wie ein vollgesoffener Schwamm, bis zum Anschlag gefüllt mit Input und ich vermute, ich schiele ein bissl. Nix geht mehr rein, jetzt folgt die Kompostierphase. Mein Innenleben rattert, mein Unterbewusstes waltet seines Amtes und ich wache nachts auf mit halbausgebrüteten Textfetzen im Kopf, die ich manchmal auf klug platzierte Kaszettel neben dem Bett kritzel, ohne das Licht aufzudrehen. Weil jetzt mag ich all das Gelesene ja auf meinen Yogakontext hin verdauen, auf dass ich irgendwann hoffentlich Interessantes auszuspucken wissen werde.

Selbstverständlich ist mir die Glorie schon wieder auf den Fersen trieft diese Phase vor Zuversicht und all ihren Gegenspielern und eventuell habe ich die eine oder andere Nacht in einer Mischung aus geistiger Umnachtung, Rüstungsbedürfnis und Größenwahn verbracht und beschlossen, es sei dringend an der Zeit, Kant und Hegel zu lesen, um mich anschließend hurtigst Heidegger und Scheler zuzuwenden, denn wie bitteschön sollte ich ansonsten Aussagen treffen dürfen, ich ungebildeter Pöbel, ich?

Glücklicherweise rufe ich dann Dani an, beichte ihr interpunktionslos alles entgegen und währenddessen wird’s mir eh schon leichter um die Brust. Hinfort, Hirnfasching! Hinfort, auf dass mir mein Herz nicht verrecke und oder der Tatendrang versiege.

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Übrigens findet morgen um 19:30 der nächste Infoabend für meine im Herbst startende Yoga-Ausbildung statt. Ihr könnt entweder zu mir ins Atelier Brutstätte kommen (Haslingergasse 12/3, 1170 Wien) oder online dazukommen. Hier der Zoom-Link.